Controlling zwischen Windeln und Babybrei | Studium mit Kind? – Teil 2
KIND & STUDIUM? NA KLAR!
Im ersten Teil des Artikels habe ich von meiner unbeschwerten Zeit als kinderlose Jurastudentin erzählt und von dem Plan, noch einmal zu studieren. Hier könnt ihr nachlesen, wann und wie ich das Zweitstudium angegangen bin.
Das Studium mit Kind
Zwischenzeitlich war meine zweite Tochter geboren, die zweite Elternzeit hatte ich angesichts der dritten Schwangerschaft, der Zwillingsschwangerschaft,verlängert und ein Gedanke wurde immer stärker: zweites Studium, jetzt oder nie!
„Jetzt“ bedeutete, das Projekt „Studium“ unmittelbar nach der Zwillingsgeburt anzugehen. Warum? Ganz einfach: Es bot sich zeitlich an. Außerdem wollte ich das Thema nicht länger aufschieben. Nach vier Töchtern würden keine weiteren Kinder und auch keine weiteren Elternzeiten, die ich für Weiterbildungen nutzen konnte. Außerdem würde sich in zwei Jahren das Zeitfenster schließen. Nach der Rückkehr auf meine Teilzeitstelle zwürde ich mir unter Garantie kein Studium mehr aufhalsen.
Hallo Fernstudium, hier bin ich!
Mit dem verlockenden Ziel der Horizonterweiterung vor Augen meldete ich mich hochschwanger und überglücklich für ein Fernstudium an. Einige freiwillige Präsenzveranstaltungen und die Abschlussklausuren fielen auf die Wochenenden. Mein Mann konnte sich dann um die Kinder kümmern. Und der „Rest“, das eigentliche Studium war von zu Hause aus anhand der zugesandten Unterlagen zu erarbeiten. Die beiden älteren Töchter besuchten bis nachmittags den Kindergarten und die Jüngsten waren zufriedene Traumbabys, die Schlaf- und Wachzeiten tagsüber mit dem jeweils vertrautesten Menschen, dem Zwilling, verbringen konnten und wollten.
Mein Plan im Hinblick auf die Kinder ging auf. Auch das Studium packte ich. Mal besser, mal schlechter. Ein Teil der Fächer, wie etwa Personalmanagement und Besteuerung, gestaltete sich dank juristischer Vorbildung als Spaziergang. Bank-, Börsen- und Finanzgeschäfte kannte ich größtenteils aus meinen Anwaltszeiten im Kapitalmarktrecht.
In anderen Fächern war ich total blank, musste mich durchbeißen, und zwar richtig. Finanzierung und Investition wäre für jeden Abiturienten wahrscheinlich ein Leichtes gewesen. Für mich war es eine Qual. Mathematische Formeln, die ich während meiner Schulzeit gelernt, längst vergessen hatte, musste ich mir mühselig anhand von Formelsammlungen für die Jahrgangsstufen 8 – 10 wieder aneignen und mit zig Eselsbrücken in mein Hirn pressen. Oder es zumindest versuchen. Nach Schwangerschaften und Stillzeiten arbeitet das Gehirn irgendwann nicht mehr so wie gewohnt. Selbst bloßes Auswendiglernen erforderte geistige Höchstleistung.
Warum tat ich mir das Zweitstudium an? – Ich wollte wissen.
Obwohl dieses zweite Studium genau das war, was ich wollte, frage ich mich gelegentlich, welcher Teufel mich damals geritten hat.
War der normale Alltag einer sechsköpfigen Familie nicht anstrengend genug?
Offenbar nicht. Zeitlich schon, denn „nur“ Haushalt und Kinder können extrem arbeitsintensiv sein. Allein mit den Wäschebergen war ich mehr als ausgelastet.
Doch da ich zu dieser Zeit bereits gute zwei Jahre – damals empfand ich das als viel – aus meinem Job raus war, machte mich allein die Vorstellung, meinen grauen Zellen wieder geistige Nahrung zu bieten, extrem glücklich. Echte geistige Nahrung. Nicht die Schonkost des mütterlichen Mikrokosmos bestehend aus Wickeln, Stillen, Pipapo und Blablabla. In meiner Zeit als frisch gebackene Mutter waren diese Themen immens wichtig. Doch im dritten Durchlauf verliert auch das raffiniertes Breirezept seinen Reiz.
Und weil ich gerade dabei war …
… setzte ich, hungrig nach geistiger Nahrung, einige Wochen parallel zum Studium eine Fortbildung obendrauf. Buchhaltung. Passte thematisch zu BWL. Dem ursprünglichen Plan, den Dreimonatskurs gerade noch rechtzeitig vor der Zwillingsgeburt abzuschließen, hatte die doppelte Schwangerschaft mit ihren Zipperlein einen Strich durch die Rechnung gemacht, sodass ich das Versäumte nach der Geburt nachholen „musste“.
Hätte ich den Kurs Kurs sein lassen, Buchhaltungsgrundsätze, die Systematik von Soll und Haben anderen überlassen und mich voll und ganz meiner Mutterrolle widmen können? Ja, hätte ich. Wollte ich aber nicht. In meinen Anfangszeiten als Mama hatte ich mich mit Haut und Haaren auf dieses neue Wesen in unserem Leben eingelassen, hatte jeden Moment, jede Minute in den Dienst meiner Tochter gestellt und alles, den ursprünglichen Alltag, lieb gewonnene Gewohnheiten wie Cafébesuche und ähnliches, meine Ehe, mein komplettes Leben hintenan gestellt. Rückblickend war die vollkommene Selbstaufgabe nicht nötig. Keine meiner Töchter 2, 3 und 4 hat schlechter geschlafen, nur weil ich sie dabei nicht permanent angestarrt habe.
Fazit
Eineinhalb Jahre dauerte das Aufbaustudium. Manches lief gut, manches schlecht. Zwischendurch habe ich mich verflucht, wenn just in der Nacht vor einer Klausur eines oder mehrere Kinder mich wachgehalten haben. Und dennoch: Ich würde alles wieder genauso machen. Und ich bin stolz auf mich. Stolz darauf, dass ich trotz – oder vielleicht wegen – der vier Kinder, die mir manchmal tierisch auf die Nerven gehen, die aber unangefochten das Beste sind, das in meinem Leben passiert ist, diesen Weg gegangen bin.