Was du alles kannst! – Welche Soft Skills haben Eltern?
Eine Menge!
Hier eine kleine Auswahl der Soft Skills, die Eltern mitbringen
Tausendsassa oder Multitalent. Das wären die richtigen Antworten gewesen. Doch was entgegnete ich jahrelang auf die Frage nach meiner Tätigkeit? Hausfrau und Mutter. Wenn das Gegenüber das Gähnen unterdrückte, konnte ich froh sein. Selbst bei der aufgehübschten Variante der Familienmanagerin erntete ich bestenfalls ein „Ach, wie schön.“ Wen wundert es?
Wo liegt der Fehler? Mein Tipp: 50/50 bei Gesellschaft und Eltern. Bei der Gesellschaft, weil sie Eltern und deren Fähigkeiten nicht genug schätzt. Aber auch bei den Eltern, weil sie oft tiefstapeln oder sich ihrer Kompetenzen erst gar nicht bewusst sind.
Welches Standing haben Eltern in unserer Gesellschaft?
Aus den Reaktionen auf meine Antwort wurde eines deutlich: Eltern stehen in Gesellschaft und Berufswelt generell nicht unbedingt auf dem Siegertreppchen. In Begleitung der Begriffe Hausfrau/Hausmann hat frau/man im Prinzip schon verloren.
Eine Bekannte: Informatikerin mit drei Muttersprachen, Muslimin, Migrantin, Mutter. Jahrelang arbeitete sie in einem großen deutschen Konzern, der sich Diversity groß auf die Fahnen schrieb und nach wie vor schreibt. Religion samt Kopftuch, Hautfarbe und Herkunft – alles kein Problem. Niemand der Mitarbeiter:innen wurde deshalb benachteiligt oder musste Karriereknicke hinnehmen. Was war ein Problem? Meine Bekannte war nicht nur hochqualifiziert, sie war auch Mutter. Das war tatsächlich ein Problem. Weshalb? Weil Mütter angeblich weniger flexibel sind, ein höheres Ausfallrisiko haben, weil Kinder auch mal krank werden können? Was weiß ich. Wahrscheinlich weiß der große deutsche Konzern selbst keinen Grund.
Aber müssen Menschen berufliche Nachteile in Kauf nehmen, nur weil sie eine Familie haben? Müssen sich Väter/Mütter in ihrer Elternzeit eine Fortbildung aufbürden, um etwas „Anerkennenswertes“ vorweisen zu können, weil die Wahrheit nur ein mildes Lächeln hervorruft? Wie oft wurde ich in den acht Jahren meiner Familienzeit als Latte-Macchiato-Mutti betitelt? Unzählige Male. Freundlich hat das Gegenüber dies jedenfalls nie gemeint.
Ist dieser Umgang gerechtfertigt? Ist er fair? – Nein.
Warum müssen wir Eltern mehr Wertschätzung zukommen lassen?
Ganz einfach: Weil Eltern verantwortungsbewusste, pragmatische, kompetente Menschen sind. Väter und Mütter profitieren in mehrfacher Hinsicht von ihrem Elterndasein, entwickeln Fähigkeiten, die sich im Berufsleben auszahlen oder bauen solche aus.
Ist doch logisch, wird sich mancher vielleicht denken. Muss man da schon wieder drauf rumreiten?
Ja, muss man.
Grund 1: Weil es gar nicht oft genug thematisiert werden kann.
Grund 2: Auch, wenn es logisch oder längst bekannt sein sollte, scheint es noch nicht bis in manche Chefetage durchgedrungen zu sein. Wie oft habe ich insbesondere von befreundeten Müttern gehört, dass sie generell schlechter bezahlt werden als Kollegen, bei allgemeinen Gehaltserhöhungen leer ausgehen, in miesen Büros oder auf langweiligen Jobs geparkt sind oder gleich nach Ende der Elternzeit die Kündigung ins Haus geflattert kam? Bei der Neubewerbung wird der Nachwuchs im Vorfeld gerne verschwiegen, um dem Lebenslauf den „Kindermakel“ zu nehmen und wenigstens die Chance zu haben, zum Gespräch eingeladen zu werden.
Schade. Und echt überflüssig. Denn Eltern sind nicht nur verantwortungsbewusst, sie verfügen auch über eine Menge Soft Skills, die sich im Arbeitsleben bezahlt machen.
Was sind Soft Skills?
Soft Skills sind methodische, persönliche und soziale Fähigkeiten und Kompetenzen, die sich nicht anhand von objektiven Kriterien messen lassen.
Im Gegensatz dazu können Hard Skills erlernt und objektiv bewertet und z.B. durch Zeugnisse und Ähnliches bescheinigt werden.
Welche Soft Skills haben denn nun Eltern?
Je länger ich nachdenke und google, desto mehr fallen mir ein. Um die Liste nicht ausarten zu lassen, beschränke ich mich auf einige wenige. Manches lässt sich auch nicht strikt einer Kompetenz zuordnen.
#1 Organisationstalent
E-Mails, Projekte, Termine, Akten & Co. All das und mehr will im Berufsleben organisiert werden. Und genauso ist es im Familienleben. Kinder sind keine Selbstläufer und bis man ihnen guten Gewissens den Hausschlüssel in die Hand drücken und sie in die Eigenverantwortung (wenn auch unter Aufsicht) entlassen kann, dauert es bekanntlich einige Jahre.
Die Notwendigkeit, Geburtsvorbereitung, Anmeldung zur Geburt, diverse Arzttermine zu koordinieren, beginnt in der Schwangerschaft. Ab Geburt geht es locker flockig weiter. Säuglinge bzw. deren Eltern wollen zum PEKiP, in die Krabbelgruppe oder zum Babyschwimmen. Später sind diverse Anmeldetermine für Krippe, Kindergarten, Schule einzuhalten. Hinzu kommen regelmäßige Arztbesuche zwecks Impfung und U-/J-Untersuchungen sowie spontan notwendige Besuche der Kindernotaufnahme.
Playdates, Kindergeburtstage (eigene Feste und Teilnahme an anderen Partys), Betreuung in der Freizeit und in den Ferien (planbar) und zu Krankheitszeiten der Kinder (nicht planbar), Einrichtung von Arbeitsplätzen, um Homeschooling zu ermöglichen. All das will oder muss mit Geschick unter einen Hut gestopft werden. Der Begriff Familienmanagement – Betonung auf Management – hat durchaus seine Berechtigung.
#2 Flexibilität
„Eltern sind unflexibel, weil sie nicht 24/7 im Job verfügbar sind.“
Richtig. Aber: Andere Mitarbeiter sind auch nicht im Dauerbereitschaftsdienst und nur weil jemand in Teilzeit arbeitet und um Punkt 14.00 Uhr den Stift fallen lassen muss, heißt das nicht, dass er/sie unflexibel ist.
Vielleicht liegt das einfach an den strikten und nicht immer arbeitnehmerfreundlichen Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen.
In welchen Punkten sind Eltern dann bitte flexibel? In vielen.
Eltern können, weil sie müssen, flugs auf Unvorhergesehenes reagieren, den geplanten Alltag von einem auf den anderen Moment komplett umschmeißen und auf die Schnelle eine Lösung finden. Der häufigste Fall des Unvorhersehbaren dürften Ad-hoc-Erkrankungen sowie Unfälle der Kinder sein. Ein hohes Maß an Flexibilität erfordern auch pandemiebedingte Schulschließungen, auch wenn sie nicht immer unvorhersehbar sind. Wenn einem das Kind kurz vor einem wichtigen Geschäftstermin spontan vor die Füße spuckt, zieht das eine Schleife an Todos mit sich. Es genügt nicht, das kranke Kind mit Eimer nebendran ins Bett zu verfrachten. Man muss alle Möglichkeiten ausjonglieren, sich gedanklich verbiegen und binnen Minuten den Tag komplett umplanen.
#3 Multitaskingfähigkeit
Erstaunlich, was man alles gleichzeitig erledigen kann. Allein das Facility-Management in den eigenen vier Wänden (früher bekannt als Haushalt) bietet eine Vielzahl an parallel machbaren Dingen:
Textil- und Raumreinigung, Aufräumen, Koordination von Familienterminen, Nahrungsmittelzubereitung, Trösten, Konfliktmanagement (real oder in Chatgruppen), Qualitätsbewertung von Handständen und Spagaten und und und. Daneben werden diverse Fragen zu schulischen und allgemeinen Themen bestmöglich beantwortet.
Potentielle Fragen:
Bringen Bügeleisen Glück? – Gab es in deiner Kindheit schon Küchen oder hast du mit einem Topf über dem Feuer gekocht? – Haben nur reiche Leute ein Privatleben? – Wie werde ich Fleischimkerin? – War ich in einem früheren Leben Wolfgang Clement?
Tipp: Höre deinem Kind aufmerksam zu, auch wenn es die tausendste Frage ist und du deshalb gerne auf Durchzug schalten würdest. Für das kindliche Wohl ist es wahrscheinlich nicht gerade förderlich, wenn du auf die Mitteilung „Ich habe ein Bild gemalt“ mit „Oh, Gott“ reagierst.
#4 Geduld
Vater/Mutter: „Wieviel macht 44 + 44?“
Kind (7 Jahre): „???“
Vater/Mutter: „Ok. Wieviel macht 4 + 4?“
Kind: 8.
Vater/Mutter: „Bravo!“
Kind: Grinst stolz.
Vater/Mutter: „Wie lautet das Ergebnis, wenn man 40 und 40 addiert?“
Kind: „Was ist addiert?“
Vater/Mutter: „Addieren heißt zusammenrechnen.“
Kind: „Ah.“
Vater/Mutter: Wieviel macht also 40 + 40?
Kind: „44?“
Vater/Mutter: „Leider nein. Wenn die Zwergenaufgabe 4 + 4 ein Ergebnis von 8 hat, welches Ergebnis hat dann die Riesenaufgabe 40 + 40?“
Kind (zaghaft): „80?“
Vater/Mutter: „Richtig!!!! Und wenn Du jetzt 44 + 44 zusammenrechnest, wieviel hast du dann?“
Kind: „Viel.“
Vater/Mutter: „Ja, genau, du hast viel und welches Ergebnis hast du genau?“
Kind: „Ein Riesenergebnis?“
Vater/Mutter: „Auch. Und welche ZAHL hast du, wenn die 44 + 44 rechnest?“
Kind: Schweigt.
Vater/Mutter: „Ok, nochmal. Wieviel ergibt 4 + 4?“
Kind (stolz): „8!“
Vater/Mutter: „Super! Und wieviel ergibt 40 + 40?“
Kind: „80?“
Vater/Mutter: „Richtig! Und was ergibt 44 + 44?“
Kind: „48?“
Vater/Mutter: „Nein.“
Kind: „84?“
Vater/Mutter: „Auch nicht. Anders gerechnet. Wenn du erst 8 ausgerechnet hast und dann 80. Wie lautet dein Endergebnis?“
Kind: „8 zu 80?“
Noch Fragen? – Ohm.
#5 Kommunikationsstärke
Wer Elternbeiratssitzungen überstanden hat und am Ende nicht mindestens einmal zur beleidigten Leberwurst mutiert ist, ist für’s Berufsleben bestens gewappnet. An kaum einem Ort kann man mehr über Kommunikation oder auch deren Fehlen lernen als im Kreise von Erziehern, Lehrern, Eltern. Meistens geht es beiderseits höchst emotional zu, egal, welches Thema auf der Agenda steht. Morgenkreis, Brotzeitpause, Plätzchenbacken, Sommerfest-Buffet. Jeder Punkt ein potentielles Konfliktthema.
Sackhüpfen beim Sommerfest ist plötzlich doof obwohl das eigentlich immer der Renner war oder der Vorschlag, vegane Kinderschminkfarbe zu verwenden, hat schon wieder keine Mehrheit der Abstimmenden gefunden. Vielleicht war auch das extra organisierte St. Martins-„Pferd“ zu klein, weil gar kein Pferd, sondern ein Pony. Jeder, egal aus welcher Fraktion, fühlt sich irgendwann betroffen oder beleidigt.
Es wäre wahrscheinlich für alle Beteiligten leichter, wenn man eines nicht aus den Augen verliert: Wir ziehen im Prinzip alle am selben Strang. Wir wollen, dass es den Kindern gut geht.
Mein Learning nach einigen Jahren auf diversen ehrenamtlichen Elternposten:
- Ich lobe mein Gegenüber für jegliches Handeln.
- Nicht nur im Gerichtssaal gibt es Herren in schwarz, die von oben herabwettern.
Ich merke schon … ich werde emotional. Also, Schwamm drüber.
#6 Und viele Fähigkeiten mehr
Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Spontan fallen mir noch Problemlösungskompetenz, Kreativität, Empathie, Teamfähigkeit und Pragmatismus ein. Was kann ich und wie vermarkte ich mich? Diese Frage sollten sich Eltern stellen und ich bin mir sicher, dass hier jedem eine Menge dazu einfallen kann.
Übrigens: Auch, wenn manch Elternteil wegen Homeschooling nicht oder nur eingeschränkt arbeiten kann, ist dies, auch aus beruflicher Hinsicht, keine verlorene Zeit. Denn die digitale Beschulung steigert nicht nur die Kenntnisse unserer Kinder im Umgang mit digitalen Tools.
In den letzten Wochen habe ich mehr über MS Teams, Zoom und Skype gelernt als in den Jahren zuvor. Und EDV-Kenntnisse zählen ja unzweifelhaft zu den Hard Skills.