Kopflos in Buntenbock
Ein Hahn auf Abwegen
Wer nicht spurt, landet im Kochtopf. Zumindest als Hahn im Jahr 1954. Da war mein Opa Willi alles andere als zimperlich. Rund siebzig Jahre ist es her, dass der Aufsatz „Der gefährliche Hahn“ geschrieben wurde. Von meiner Mutter, mittlerweile achtzig. Aufgewachsen als drittes von vier Kindern in einem kleinen Dorf im Harz namens Buntenbock südlich von Clausthal-Zellerfeld. Heute bekannt für alkoholfreies Bier. Damals eine Gegend, die überwiegend vom Bergbau lebte, in der es trotz harter Arbeit keine großen oder gar keine Reichtümer gab und es – verglichen mit heute – deutlich rauer zuging. Lest selbst:
Der gefährliche Hahn
Ich war zwei Jahre alt. Zu Hause spielte ich auf unserem Rasen. Ich hatte auf der Straße einen Ball entdeckt. Schnell sauste ich hin, um ihn zu holen. Da aber kam unser Hahn. Er hüpfte hinter mir her und flog auf meinen Rücken. Da plumpste ich wie ein Mehlsack hart auf. Er konnte mich nicht leiden, weil ich viel rotes Zeug trug. Nun hackte er wie toll auf mich ein.
Ich schrie aus Leibeskräften nach meiner Mutter. Dieses hörte mein Vater, der im Stall war. Er kam in langen Sätzen heraus.
Schnell packte er den Hahn und pfefferte ihn auf die Erde.
Zuerst dachte mein Vater, der Hahn wäre tot. Aber kaum hatte er sich erholt, flatterte er auf und wollte wieder auf mich zu. Mein Vater bemerkte dieses, riss den Hahn hoch, klemmt ihn unter den Arm und brachte ihn in den Stall.
Ich lag auf der Erde und weinte, was ich nur konnte. Ich blutete im Gesicht und auf dem Kopf. Mein Vater kam nun hinaus und trug mich ins Hildesheimer Haus zum Arzt. Der Arzt besah sich den Schaden und sagte:
„O je, o je, das hätte ja schlimm ausgehen können, denn der Hahn konnte ja dem Kind die Augen aushacken.“
Vroni, 12 Jahre
Wie erging es dem Hahn? Opa Willi fackelte nicht lange und enthauptete den Aggressor. Kopflos rannte der noch einige Zeit in der Hofeinfahrt meiner Großeltern umher und landete schließlich im Kochtopf.