Leben mit Kindern

Mutter muss nach Elternzeit Erwachsenensprache wieder lernen


Sprachliche Rückkehr in den Beruf

Schlafen statt Heia – geht manchen gar nicht mehr so leicht über die Lippen. Wenn Eltern nach Monaten oder Jahren der intensiven Kinderbetreuung in den Beruf zurückkehren, stehen sie vor zahlreichen Herausforderungen – organisatorisch, emotional und fachlich. Ein Aspekt geht dabei oft unter: die sprachliche Umstellung.

Die Elternzeit – ein linguistisches Paralleluniversum

Während der Elternzeit verändert sich nicht nur der Tagesablauf, sondern auch die Art zu sprechen. Viele Eltern – insbesondere Mütter – passen ihre Sprache intuitiv an die Bedürfnisse ihrer Kleinkinder an. Einfacher Satzbau, überschaubarer Wortschatz, keine Fremdwörter. Ab sofort heißt es nicht mehr Hund, Essen oder Schmerzen, sondern Wauwau, Mampf und Aua. Die erste Person fliegt im Dialog komplett raus, die dritte Person als Regelfall.  Aus „Ich bin müde“ wird ein schlichtes „Mama ist platt“.

Ein Zeichen von Verblödung? Natürlich nicht. Die sprachliche Anpassung keine Rückentwicklung, sie ist Ausdruck feinfühliger Kommunikation. Kinder im frühen Spracherwerb profitieren von klaren, wiederholbaren Strukturen. Die Elternsprache wird so zum Werkzeug der Bindung und des Lernens.

Doch auch die schönste Elternzeit geht irgendwann zu Ende und dann heißt es: Back to office. Eine Umstellung auf ganzer Linie. Der Alltag bekommt eine andere Struktur, für Eltern und Kind. Väter und Mütter müssen nun wieder ihr berufliches Wissen abrufen, fachliche Kompetenz zeigen und sich eben auch sprachlich rückorientieren.

Zwischen Wauwau und Workflow

Der Übergang kann holprig sein. Manche Eltern berichten, dass sie sich in den ersten Tagen im Büro dabei ertappten, auch mit Kollegen in der dritten Person von sich zu sprechen oder nach wie vor kindliche Begriffe zu verwenden. Eine Mutter hat sich mehrfach selbst fragen hören, ob sie dem Chef ein Schreibi schicken solle. In der Welt der Mails und Meetings gilt das nicht als besonders professionell. Auch die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte präzise zu formulieren, muss mitunter erst wieder aktiviert werden – insbesondere, wenn die Elternzeit mehrere Jahre dauerte.

Verständlich. Wer jahrelang Drei-, höchstens Fünfwortsätze, ohne Nebensatzkonstruktionen und grammatikalisches Schnickschnack gewohnt war, mag sich schwertun, ein kompliziertes Thema gedanklich zu durchsteigen. An fremdsprachige Texte erst gar nicht zu denken.

Dies ist aus Sicht von Sprachwissenschaft und auch Psychologie kein ungewöhnliches Phänomen. Sprache ist ein soziales Werkzeug; es passt sich dem jeweiligen Kontext an. Wer über längere Zeit in einem kindzentrierten Umfeld kommuniziert, entwickelt bestimmte Muster. Es dauert eine Weile, diese wieder zu verändern.

Der sprachliche Wiedereinstieg

Der Weg zurück zur Erwachsenensprache ist steinig, aber machbar. Damit der erste Tag in der Arbeitswelt kein Kulturschock wird, hier ein paar Tipps:

  • Bewusstes Ich-Sprechen: Die Rückkehr zur ersten Person signalisiert nicht nur sprachlich, sondern auch psychologisch den Rollenwechsel.
  • Aktive Wortschatzerweiterung: Fachliteratur, Podcasts oder Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen helfen, den passiven und natürlich auch den aktiven Wortschatz zu reaktivieren. Wörter wie „Synergie“, „Deadline“ und „Kaffeepause“ können gerne wieder in den aktiven Wortschatz aufgenommen werden.
  • Sprachliche Selbstbeobachtung: Wer sich selbst bewusst zuhört, erkennt schneller, wo sich kindliche Sprachmuster eingeschlichen haben.
  • Austausch mit anderen Betroffenen: Der gemeinsame Erfahrungshorizont kann hilfreich sein. Wer sich schwer mit der Selbstkritik tut, fühlt sich in größerer Runde vielleicht besser aufgehoben.

Sprache ist wie Fahrradfahren, man verlernt sie nicht, nur manchmal braucht man Stützräder.

Die Rückkehr zur Ich-Form ist kein Verrat an der Elternrolle – sie ist ein Zeichen dafür, dass man wieder beide Welten bewohnen darf: die der Kinder und die der Erwachsenen. Und wer weiß:  Vielleicht hilft einem das „Schreibi“ ja auch im nächsten Kreativmeeting weiter.


 

 

 

 

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