kleckerlätzchen für fortgeschrittene – leseprobe
PROLOG
Zwei Töchter plus eine Schwangerschaft. Wie viele Kinder ergibt das? Im Regelfall drei, bei uns vier. Der Storch hat uns nämlich beim dritten Mal ein ganz besonderes Körbchen vor die Tür gestellt, doppelt so groß wie die beiden ersten. Darin lagen Zwillinge. Das macht er nur bei jedem 83. Elternpaar.
Andere 83. Elternpaare habe ich bislang leider nicht kennen gelernt. Ich hätte so manche Frage an sie. Welches meiner Zwillingsmädchen tröste ich zuerst, wenn beide herzzerreißend schreien? Wie stille ich zur selben Zeit zwei Babys, ohne dass mir auf längere Sicht die Arme abbrechen? Und: Passt ein Zwillingswagen durch eine Coffee-Shop-Tür?
Bald weiß ich: Sich zur selben Zeit um zwei Winzlinge gleichen Alters zu kümmern, ist eine Herausforderung. Doch die Bedeutung von gleichzeitig erreicht eine andere Dimension, wenn man bedenkt, dass wir bereits zwei kleine Töchter haben.
Im ersten Stock des Eigenheims baumelt Einling Nr. 2 kopfüber von der obersten Leitersprosse des Hochbetts, gleichzeitig steckt im Keller Einling Nr. 1 in der Toilette fest, die rechte Hand von Zwilling Nr. 1 klemmt im Erdgeschoss in einer Schublade während Zwilling Nr. 2 im Dachgeschoss, allen Schutzvorkehrungen zum Trotz droht, sämtliche Stufen der eben erst stolz erklommenen Treppe herunter zu purzeln. Begleitet wird das Szenario von vierfachem Kindergeschrei. Das Mutterhuhn flattert kopflos auf und nieder, auf der Suche nach einer Möglichkeit, allen Küken gleichzeitig aus der Patsche zu helfen. Wo zur Hölle steckt Superman, wenn man ihn braucht?
In solchen Momenten wäre ich gern viermal vorhanden. Ein Ich für jedes Kind und am besten noch eine fünfte Kim, die sich seelenruhig die Nägel lackiert, zu weilen an ihrer Latte Macchiato nippt und die anderen vier mitleidig beobachtet.
Jeder kriegt nur so viel aufgebürdet wie er auch tragen kann. Ein Kind auf jedem Arm, zwei Einkaufstüten und eine Handtasche. Mehr schaffe ich nicht, sonst falle ich um. Während ich darauf bedacht bin, die Last möglichst unbeschadet zu stemmen, schwebt – mal unübersehbar wie eine Leuchtreklame, mal dezent im Hintergrund – eine Frage im Raum: Ist das geschilderte Familienleben mit einer, genauer gesagt mit meiner Berufstätigkeit vereinbar?
Ich habe keinen blassen Schimmer.